Der Thesaurus Linguae Sericae: An Historical and Comparative Encyclopaedia of Chinese Conceptual Schemes, kurz TLS, wird derzeit von der Princeton University in Kooperation mit dem CSTCC unterhalten. In dieser Datenbank fließen die Ergebnisse der aktuellen Forschungsprojekte des Zentrums zusammen, wobei die digitale Plattform die Möglichkeit einer zeitnahen Berücksichtigung der neuen Forschungsergebnisse noch vor der Publikation in Printmedien eröffnet.
Ein umfassendes Korpus Klassischer chinesischer Volltexte wird im TLS digital greifbar und unmittelbar für die Forschung zugänglich gemacht. Die Texte werden nicht nur von einem internationalen Team renommierter Wissenschaftler mit einer interlinearen Übersetzung versehen, sondern sind direkt mit einem integrierten analytischen Wörterbuch der chinesischen Schriftsprache verbunden. So erhält der Nutzer durch einfaches Markieren eines Zeichens sowohl einen Überblick über dessen gesamtes, bisher erarbeitetes Bedeutungsspektrum als auch die konkrete Verwendung im aktuell gewählten Text selbst. Der TLS macht den Text also nicht nur in seiner überlieferten Version und in seiner Übersetzung zugänglich, er bietet gleichzeitig einen direkten Einblick in dessen syntaktische Struktur. Wichtig ist hierbei, dass gerade bei Texten des Klassischen Chinesisch oftmals eine hohe Ambiguität vorliegt. Die Zielsetzung des TLS ist nicht, eine präskriptive Auslegung und Übersetzung zu erarbeiten. Vielmehr wird die Vielzahl der möglichen Interpretationen aufgezeigt. Alternative Lesungen werden ausgewiesen und dem Nutzer dargeboten.
Das dem TLS zugrundeliegende und mit der Volltext-Datenbank verknüpfte Wörterbuch bildet einen zentralen Baustein der ständig wachsenden digitalen Ressourcen. Die Bearbeitung klassischer chinesischer Texte resultiert direkt in einer Ausweitung und Präzisierung dieses Wörterbuchs: Bislang nicht berücksichtigte Verwendungen oder Konnotationen eines Begriffes können vom Nutzer unmittelbar in das Wörterbuch eingearbeitet werden. Simultan zu der Erschließung des Textkorpus und seines Vokabulars wird im TLS zugleich ein eigenes System syntaktischer Kategorien und rhetorischer Mittel der chinesischen Sprache entwickelt. Durch die Zuordnung von chinesischen Wörtern zu einer taxonomischen Hierarchie von Synonymgruppen wird zudem ein Synonymwörterbuch des Klassischen Chinesisch kompiliert. Der TLS legt hierbei ein besonderes Augenmerk auf historische Schlüsselwörter und zentrale vormoderne Konzepte.
Die Volltext-Datenbank, das Synonymwörterbuch und das Verzeichnis vormoderner chinesischer Konzepte sind interaktiv miteinander verknüpft. So ist nicht nur der einseitige Zugriff von der Textdatenbank auf das Wörterbuch möglich. Das Wörterbuch listet zudem alle Verwendungen des Wortes in einer bestimmten Verwendung innerhalb der Textdatenbank. Auf dieselbe Weise ist auch die Konzeptdatenbank mit dem Wörterbuch und der Textdatenbank verknüpft. Alle Bestandteile des TLS sind demnach dynamisch miteinander verbunden und ineinander integriert.
Das volle Potential des TLS entfaltet sich erst, wenn er nicht nur in seinen einzelnen Bestandteilen sondern in seiner Gesamtkonzeption gesehen wird: Es handelt sich um eine stetig wachsende Datenbank, die zu jeder Zeit weltweit online bearbeitet werden kann. Sie bietet damit nicht nur ein kollaboratives Forum für die Diskussion Klassisch Chinesischer Texte, sondern vielmehr eine Plattform für die interkulturelle Erforschung vormoderner chinesischer Begriffsgeschichte. Wissenschaftler verschiedenster Disziplinen und Gebiete können aktiv in einen direkten Austausch treten. Chinesische Konzepte, die in anderen Kulturräumen übernommen wurden und sich dort isoliert weiterentwickelten, können so in ihrer transkulturellen Entwicklung direkt ergründet und dokumentiert werden. Über das Medium des Klassischen Chinesisch werden zu diesem Zweck neben das sinologische Textkorpus zunehmend auch relevante japanologische und koreanistische Textkorpora treten. Hierdurch wird ein transdisziplinärer ostasienwissenschaftlicher Forschungsdiskurs auf einer gemeinsamen methodischen Basis geschaffen, der Philologen wie auch Historikern und Philosophen ganz neue Möglichkeiten eröffnet.
Der TLS, dessen Geschichte in Heidelberg mit der Gründung durch und unter Leitung von Christoph Harbsmeier begann, wird seit 2019 von Prof. Dr. Christian Schwermann über das CSTCC und von Prof. Dr. Christian Wittern (Universität Kyōtō) mitherausgeben und weiterentwickelt. Die technische Infrastruktur wird von der Universität Kyōtō bereitgestellt, das Hosting liegt bei der Universität Princeton.
Zu erreichen ist der TLS unter: https://hxwd.org